FORMEN
DER INKONTINENZ
Harninkontinenz bedeutet unwillkürlicher und unbeabsichtigter Verlust von Urin. Bei der Inkontinenz der Harnblase unterscheidet man zwischen der Belastungs-, der Drang- oder der Mischharninkontinenz.
BELASTUNGSHARNINKONTINENZ
Bei körperlichen Belastungssituationen, wie zum Beispiel beim Husten, Niesen, Lachen, Laufen, Joggen, Heben und anderen schnellen Bewegungsabläufen, erhöht sich der Druck im Bauchraum. Der Verschlussmechanismus der Harnröhre ist diesem Druck nicht mehr ausreichend gewachsen und kann den Urin nicht zurückhalten. Es kommt zum unwillkürlichen Urinverlust. Das kann in Tröpfchenform oder im ganzen Strahl erfolgen oder in seltenen Fällen zu einer kompletten Blasenentleerung führen.
DRANGINKONTINENZ/ÜBERAKTIVE BLASE (overactive bladder, OAB)
Bei der Dranginkontinenz meldet sich die Harnblase je nach Füllungsgrad ganz plötzlich mit starkem nicht unterdrückbarem Drang, dem die betroffene Patientin sofort nachkommen muss, sonst geht Urin in unterschiedlichem Ausmaß verloren. Dabei kann die Harnblase auch kaum gefüllt sein. Umso häufiger die Betroffenen die Blase entleeren, desto schlimmer wird der Drang. Es kann dazu führen, dass die Patientin mehrfach in der Stunde zur Toilette gehen muss. Daraus resultiert eine kleinkalibrige Blase, die an Dehnbarkeit verliert. Ein Circulus virtuoses.
Eine Sonderform nimmt die Überaktive Blase ein. Hier sind ähnliche Symptome zu verzeichnen. Allerdings kommt es nicht zwingend zur Inkontinenz. Hier liegen eher chronische Blasenschmerzen vor, die durch eine erhöhte Kontraktilität der Harnblase bedingt sind. Die Muskulatur der Blase zieht sich permanent zusammen und wird dadurch zu kräftig.
MISCHHARNINKONTINENZ
Die Mischharninkontinenz ist eine Kombination beider Blasenfunktionsstörungen. Patientinnen können daher typische Symptome beider Krankheitsbilder aufweisen. Sie ist etwas schwieriger zu diagnostizieren und zu behandeln, da man beide Funktionsstörungen unabhängig voneinander therapieren muss.
TOTALE HARNINKONTINENZ
Von einer totalen Inkontinenz spricht man, wenn permanent Urin verloren geht, auch im Liegen oder unbemerkt während des Schlafens.
STUHLINKONTINENZ
Bei der Stuhlinkontinenz wird je nach Festigkeit des Stuhls und je nach Stuhlfrequenz Stuhl ungewollt verloren. Die Kontrolle über den Schließmuskel des Enddarms besteht nicht mehr.
SONDERFORMEN
DER INKONTINENZ
CHRONISCHES BECKENSCHERZSYNDROM (pelvic pain syndrom)
Das chronische Beckenschmerzsyndrom kann das gesamte kleine Becken oder einzelne Organsysteme betreffen. Die Patientinnen haben chronisch immer wiederkehrende Beschwerden oder konstante Schmerzen. Die Intensität kann sehr unterschiedlich ausfallen, so dass die Patientinnen oft nach langjährigem Leidensweg nicht mehr klar sagen können, wo und wodurch der Schmerz ursprünglich angefangen hat. Die Schmerzen können isoliert nur in der Harnblase, der Harnröhre, der Scheide, dem Darm oder auch nur auf Beckenbodenebene auftreten. Sie können auch durch Begleiterkrankungen, wie zum Beispiel der Endometriose, der Adenomyosis uteri, durch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulzerosa oder Morbus Crohn, durch Multiple Sklerose, Kollagenosen, der Fibromyalgie oder durch Rheumatoide Arthritis ausgelöst werden.
Auch orthopädische Grunderkrankungen wie ein Beckenschiefstand, Bandscheibenvorfälle, eine ausgeprägte Skoliose oder Morbus Bechterew können über Jahre zu begleitenden Beckenbodenfunktionsstörungen führen. Durch chronische Atemwegserkrankungen wie zum Beispiel Asthma bronchiale, COPD, Mukoviszidose liegen eine starke Beanspruchung des Zwerchfells und des Beckenbodens vor, die wiederrum Verspannungen und Dysfunktionen auslösen können.
ENTZÜNDUNG DER HARNBLASE (Interstitielle Zystitis)
Die Interstitielle Zystitis (IC) ist eine chronische, nicht-infektiöse, vermutlich autoimmun bedingte Entzündung der Harnblase. Sie verursacht oft starke Schmerzen in der Blase, beim Wasserlassen und auch danach. Dadurch kann es sowohl tagsüber als auch nachts zu häufigem Wasserlassen (Pollakisurie / Nykturie) kommen. Die Diagnose lässt sich durch eine Blasenspiegelung sichern. In der Blasenschleimhaut können sich multiple rötliche Verfärbungen und stecknadelkopfgroße Einblutungen (Glomerulationen) zeigen.
Bei starken Ausprägungen können zudem sogenannte Hunner-Läsionen auftreten. Das sind geschwürartige Verletzungen in der Blasenschleimhaut. Da es sich insgesamt um ein sehr seltenes und noch nicht ausreichend erforschtes Krankheitsbild handelt, wird die Diagnose zum Teil erst sehr spät gestellt. Für Betroffene gibt es in der Region auch eine wissenschaftlich orientierte Selbsthilfegruppe.
Dieser Beitrag ersetzt keinesfalls die fachliche Beratung und Behandlung durch eine Ärztin oder einen Arzt und darf nicht zur eigenständigen medizinischen und/oder psychischen Behandlung verwendet werden.